Gesundheitskioske erobern Deutschland

Seit 2021 eröffnen überall in Deutschland sogenannte Gesundheitskioske. Was es damit auf sich hat und warum ein flächendeckendes Angebots so wichtig ist.

Was ist ein Gesundheitskiosk?

Ein Gesundheitskiosk ist eine Anlaufstelle für niedrigschwellige Beratung bei Fragen zum Thema Gesundheit. Gesundheitskioske beraten qualifiziert und mehrsprachig in sozialen und medizinischen Fragen, bieten Präventivmaßnahmen und Schulungen zu Gesundheitsthemen an und vermitteln zwischen Ärzten und Patienten. In einem Gesundheitskiosk sollen alle Menschen unkomplizierte Unterstützung erhalten, die wegen fehlendem Krankenversicherungsschutz, Hemmungen oder Unwissen bisher noch keinen Zugang zum Gesundheitssystem gefunden haben. Ziel ist es, dass jeder am Gesundheitssystem teilnehmen kann und die passende ärztliche Betreuung erhält.

Laut Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP aus dem Jahr 2021 sollen Gesundheitskioske insbesondere in benachteiligten Kommunen und Stadtteilen errichtet werden, um die medizinische Versorgung sicherzustellen. Gerade Viertel von Großstädten mit niedrigem Sozialprestige sowie ländliche Gebiete mit geringer Ärzte- und Bevölkerungsdichte sollen von den neuen Gesundheitskiosken profitieren. Wie das funktionieren kann, zeigt sich seit einigen Jahren in Hamburg-Billstedt.

Unkomplizierte Hilfe für alle Bürger

Das erste Gesundheitskiosk in Deutschland wurde schon 2018 im Hamburger Stadtteil Billstedt eröffnet. Mehr als die Hälfte der Bewohner von Billstedt hat einen Migrationshintergrund und auf einen Arzt kommen hier fast dreimal so viele Patienten wie in den restlichen Vierteln von Hamburg. Um diese frustrierende Lage der Unterversorgung zu bewältigen, taten sich Mediziner, Lokalpolitiker und Krankenkassen zusammen.

Nach Vorbildern kommunaler Gesundheitszentren in Finnland, Kanada und den USA haben sie so den Grundstein für ein bundesweites Erfolgsmodell gelegt. Fortan wurde in Hamburg Hilfe bei Anträgen vom Pflegegrad, Suche nach einem Arzt oder Beratung zu Ernährung angeboten.

Die Sprache ist in sozialen Brennpunkten von Großstädten oft eine große Barriere. Die Kommunikation mit Ärzten und das Verständnis von Diagnosen oder Behandlungen ist für Menschen die nicht oder nicht so gut Deutsch sprechen oftmals schwierig. Das 2021 eröffnete Gesundheitskiosk in Essen bietet daher Hilfe nicht nur auf Deutsch sondern auch auf Englisch, Russisch oder Arabisch an. In Hamburg Billstedt sind es sogar bis zu acht Sprachen, die die Mitarbeiter sprechen, um Patienten mit Hintergründen aus der ganzen Welt unterstützen zu können.

Die meisten Gesundheitskioske basieren auf dem „Walk-In-Prinzip“. Besucher können eine Beratung also ohne Termin wahrnehmen, was die buchstäbliche Eintrittsschwelle nochmal verringert.

Finanzierung als Kritikpunkt

Das Gesundheitskiosk in Hamburg-Billstedt ist Vorbild für zahlreiche Neueröffnungen in ganz Deutschland. An diesem Standort präsentierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im August 2022 ein deutschlandweites Konzept. Die Bundesregierung plant die Eröffnung von 1000 Gesundheitskiosken im ganzen Bundesgebiet. Die Finanzierung der Gesundheitskioske soll zu 74,5% von gesetzlichen Krankenversicherungen, zu 5,5% von privaten Kassen und zu 20% von Kommunen übernommen werden. Kurz nach Bekanntgabe kritisierte der VichrowBund diese Verteilung, da „das die Kassen unter erheblichen Druck bringt“. Und tatsächlich gaben drei große Krankenkassen kurz nach der Veröffentlichung der Finanzierungspläne bekannt sich zum Jahresende aus dem Projekt in Hamburg zurückzuziehen.

Kein Arzt, aber sinnvolle Ergänzung

Es bleibt zu wünschen, dass Politik und Krankenkassen eine Lösung finden. Denn auch wenn in Gesundheitskiosken keine medizinischen Behandlungen durchgeführt werden und die Mitarbeiter keine Ärzte sind, wird hier wertvolle und sinnstiftende Arbeit geleistet. Alle Mitarbeiter sind hervorragend ausgebildete Fachkräfte aus dem Gesundheitssektor. Bei ernsten gesundheitlichen Problemen vermitteln die Berater an die passenden Allgemein- oder Spezialmediziner. Dafür können in einem Gesundheitskiosk Themen besprochen werden, die ein Arzt oftmals nicht behandeln kann. Beispielsweise gesundheitliche Bildung, Einsamkeit oder Entwurzelung – Probleme mit denen viele Bewohner sozialer Brennpunkte zu kämpfen haben.

Der Blick nach Finnland, wo das Konzept Gesundheitskiosk erfunden wurde, kann auch zeigen, welche Rolle und Funktion das Gesundheitskiosk im deutschen Gesundheitssystem in der Zukunft einnehmen könnte. In dem Skandinavischen Land wird das Konzept weniger zur Versorgung sozialer Brennpunkte oder ländlicher Gebiete eingesetzt, sondern vielmehr um Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte zu entlasten, indem Routineaufgaben wie Impfungen, Kontrolle von Blutdruck und Blutzucker oder Wundversorgung übernommen werden.

Auch in Deutschland bieten die Kioske die Chance das überlastete Gesundheitssystem zu unterstützen. Dadurch können Kosten gesenkt werden, da Klinikaufenthalte und Folgeerkrankungen reduziert werden, wie Daten der Gesundheitskioske aus Hamburg bereits belegen.